Warum sich das Schlendern im Wald gesundheitlich lohnt

Frische Luft schnuppern, leichte Tritte auf federndem Boden, sanftes Vogelgezwitscher, das Rascheln der Blätter: Im Wald sein tut gut. Und hat messbar gesundheitsförderliches Potenzial. Zum Start in die warme Saison eine Einladung zu mehr entschleunigter Zeit im wilden Grün. 

Hand aufs Herz: Wie oft nimmst du dir Zeit in der freien Natur? Den modernen Alltag verbringen wir meist in geschlossenen Räumen. Erst im Büro, nach Feierabend im Fitnessstudio, in Restaurants oder vor dem Fernseher. Durchschnittlich verbringen die Deutschen sage und schreibe zehn Stunden am Tag vor dem Bildschirm. Dabei sehnen sich laut einer Befragung 85 % danach, der Natur wieder mehr Raum in ihrem Leben zu geben.

Wohlfühlort Wald

Die Sehnsucht nach Natur ist evolutionär tief in uns verankert. Denn der Mensch stammt aus grünen Räumen. Unbewusst begleitet uns eine starke intuitive Bindung zur freien Natur. Seit jeher zieht uns der Wald in seinen magischen Bann. Er schirmt von Stadtlärm und Geräuschen ab. Das dichte Blätterdach schützt vor prasselndem Niederschlag. Im Waldinneren bleibt das Klima selbst bei hitzigen Temperaturen angenehm kühl. Die von festen Schwebstoffen gefilterte Luft ist rein und sauber. Zudem duftet das harzige Waldaroma herrlich nach ätherischen Ölen. Das alles sorgt dafür, dass wir uns nach einem Waldspaziergang frisch erholt, entstresst und klar fühlen.

Mehr als ein Gefühl

Zahlreiche internationale Studien stellen fest, dass es für unsere Gesundheit essenziell ist, Zeit in der Natur zu verbringen. Mittlerweile ist das gesundheitsförderliche Potenzial von achtsamen, entschleunigten Waldaufenthalten durch repräsentative Untersuchungen erwiesen. 

Waldbesuche können beispielsweise den Cortisolspiegel im Blut effektiv senken. Das wirkt sich förderlich auf das Immunsystem und die kognitive Leistungsfähigkeit aus. Zudem steigern sie die Aktivität des parasympathischen Nervensystems, welches die Ruhe- und Erholungsphasen steuert.1 Sich zweimal pro Woche für einen Waldbesuch Zeit zu nehmen, kann bei Stress das Erschöpfungsgefühl reduzieren und die Schlafqualität verbessern.2 Also: Nichts wie back to the woods.

Der Wald als Therapeut

Um das gesundheitsfördernde Potenzial des Waldes voll auszuschöpfen, entwickelten federführend japanische Wissenschaftler die Methode des Waldbadens (japan. Shinrin Yoku). Der Begriff meint das entschleunigte, achtsame Eintauchen in die Waldatmosphäre. Ein entspannter Aufenthalt ohne intensive körperliche Anstrengungen. Prof. Dr. Qing Li von der Nippon Medical School, einer der füh-renden Waldmediziner, beschreibt Waldbaden als „Kunst, sich durch all unsere Sinne mit der Natur zu verbinden.“3 Angeleitetes Waldbaden gehört im stressgeplagten Japan sowohl präventiv als auch zur Behandlung von Krankheiten bereits Jahrzehnte zur modernen Standardmedizin.4 Seit einiger Zeit rückt der „grüne Therapeut“ auch in Europa mehr und mehr in den Fokus. Im Seebad Heringsdorf auf der Insel Usedom liegt mittlerweile der erste offiziell ausgewiesene Heilwald.

Ideen für deinen Waldspaziergang

Wenn du nur zwei Stunden Zeit pro Woche in der Natur verbringst, kannst du laut einer im Scientific Report veröffentlichten Untersuchung bereits ihr gesundheitliches Potenzial für dich nutzen.5
Bei einem achtsamen Waldspaziergang versuchst du, den Moment mit allen Sinnen zu genießen. Nimm dir Zeit. Gehe offline und schalte dein Handy aus. Wähle für deine Naturauszeit einen Ort, an dem du dich wohlfühlst: Das kann ein nahe gelegener Park, ein verwunschenes Waldstück, ein Bachufer oder ein Naturort deiner Kindheit sein, mit dem du positive Erinnerungen verknüpfst. Wir wünschen dir viel Freude beim Experimentieren und Ausprobieren.

Waldwildnis

Hier findest du ursprünglichen Naturwald in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Viel Spaß beim Entdecken!

Nationalpark Hainich
Thüringen (D)

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Nationalpark Schwarzwald
Baden-Württemberg (D)

© sirene68/iStockphoto.com

Urwaldinsel Vilm
Rügische Bodden (D)

© eugen_z/iStockphoto.com

Sihlwald
Zürich (CH)

© GanzTwins/iStockohoto.com

Naturpark Spessart
Bayern, Hessen (D)

© FotoEvans/iStockphoto.com

Wildnisgebiet Dürrenstein
Niederösterreich (A)

© Elmar Gubisch/iStockphoto.com
Bildquellen: Elements by Envato.com

Body-Mind-Inspiration für achtsame Waldbesuche

Einsteiger

EINTAUCHEN
Achte bewusst auf den Moment, in dem du von der freien Fläche den Wald betrittst. Untersuchungen haben ergeben, dass die Alphawellen, die das Gehirn im entspannten Wachzustand produziert, gleich zu Beginn eines Waldbesuches signifikant ansteigen. 6

ENTSCHLEUNIGT GEHEN
Versuche, deine Schritte zu verlangsamen. Setze deine Füße bewusst auf den Boden. Einen vor den anderen. Beobachte deine Schnelligkeit und bremse das Tempo, sobald du unbewusst beschleunigst. Bleibe immer wieder stehen, ruhe und raste.

WAHRNEHMEN UND STAUNEN
Setze dich auf eine Bank, einen glatten Baumstumpf oder den Waldboden. Schließe die Augen und atme ein paar Mal tief ein und aus. Öffne die Augen und nimm dir bewusst Zeit für Sinneseindrücke. Lasse deinen Blick vom Boden über die Baumstämme bis in die Krone der Bäume wandern. Was nimmst du wahr? Welche Geräusche hörst du? Welche Farben und Formen siehst du? Welchen Duft riechst du?

Fortgeschrittene

BAUCHATMUNG
Lege deine Hände auf deinen Bauch. Schließe die Augen. Atme ruhig ein und lenke deinen Atem bewusst in deinen Bauch, sodass sich deine Hände sanft heben. Stell dir bei jeder Einatmung vor, dass die frische, klare Luft des Waldes in deinen Körper strömt. Und du bei der Ausatmung Stress und Sorgen an die Umgebung abgibst.

BARFUSS
Suche dir ein weiches, erdiges Stück Waldweg oder federndes Moos. Ziehe deine Socken und Schuhe aus und gehe mit langsamen, bewussten Schritten barfuß.

BAUM SPÜREN (BAUM UMARMEN „LIGHT“)
Lege deine Hand auf einen Baum. Nimm die Rinde unter deinen Händen wahr. Wie fühlt sie sich an? Glatt? Zerfurcht? Rau? Suche dir einen festen, stabilen Stand. Lehne dich mit dem Rücken an den Stamm. Schließe die Augen und nimm wahr, wie der Baum dir Halt gibt.

Quellen

  1. Karim A., Khalil R., Schmitt M.: Wald reloaded – Die Neuentdeckung des Waldes aus gesundheitspsychologischer Sicht. zkm 2020. https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/a-1140-1148.pdf
  2. Dolling A., Nilsson H., Lundell Y.: Stress recovery in forest or handicraft environments – an intervention study. Urban For Urban Green 2017; 27: 162–172
  3. Li Q. Dr.: Die wertvolle Medizin des Waldes. Wie die Natur Körper und Geist stärkt. Rowohlt Polaris 2018.
  4. Schuh A., Immich G.: Waldtherapie. Das Potenzial des Waldes für Ihre Gesundheit. Springer 2019.
  5. White M., Alcock I., Grellier J., Wheeler B., Hartig T., Warber S., Bone, A., Depledge M., Fleming L.: Spending at least 120 minutes a week in nature is associated with good health and wellbeing. Scientific Reports 2019.
  6. Karim A., Khalil R., Schmitt M.: Wald reloaded – Die Neuentdeckung des Waldes aus gesundheitspsychologischer
    Sicht. zkm 2020. https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/a-1140-1148.pdf